Brandenburg will bei der EU-Kommission für eine Ausnahmeregelung werben: Re-importierte Simson-Mopeds aus DDR-Produktion sollen künftig in Deutschland Tempo 60 fahren dürfen. Der Landtag in Potsdam hat diese Woche einstimmig einen entsprechenden Antrag angenommen – ein bemerkenswerter politischer Konsens in Zeiten zunehmender Polarisierung.
Infrastruktur-Staatssekretärin Ina Bartmann kündigte an, Brandenburg werde die Bundesregierung bitten, die Forderung bei der EU-Kommission einzubringen. Die Regelung soll bei der nächsten Überprüfung der entsprechenden EU-Verordnung berücksichtigt werden.
Die Abstimmung war ungewöhnlich: Zunächst hatte die Mehrheit einen Antrag der AfD zum gleichen Thema abgelehnt. Doch dann stimmte die AfD einem anderen Antrag zu, der schließlich einstimmig angenommen wurde. Das Simson-Moped ist längst zum politischen Symbol geworden – und verschiedene Parteien kämpfen um die Deutungshoheit.
Sonderregelung aus dem Einigungsvertrag
Der Hintergrund: Simson-Mopeds, die vor Ende Februar 1992 auf deutschen Straßen zugelassen wurden, dürfen dank einer Sonderklausel im Einigungsvertrag von 1990 bis heute 60 Kilometer pro Stunde fahren. Andere Mopeds derselben Klasse sind auf 45 km/h beschränkt.
Das Problem: Viele Simsons wurden zu DDR-Zeiten exportiert, vor allem in sozialistische Länder. Diese Mopeds werden heute nach Deutschland re-importiert – und fallen nicht unter die Sonderregelung. Genau das soll sich ändern.
Das Kraftfahrtbundesamt hat bereits signalisiert, dass es bei elektrisch umgerüsteten Simsons keine grundsätzlichen Bedenken gegen die höhere Geschwindigkeit hat.
Politischer Streit um DDR-Symbol
Das Simson-Moped ist zum politischen Zankapfel geworden. Die AfD hat in mehreren Landtagen Anträge eingebracht, die Simson als «Immaterielles Kulturerbe» anerkennen zu lassen. In Brandenburg forderte die Partei, das Moped stehe «für Freiheit, Unabhängigkeit und Individualität».
AfD-Politiker Daniel Münschke sagte im Landtag: «Die Simson ist ein ostdeutsches Symbol. Sie steht für Mut, Pragmatismus, Gemeinschaft und dafür aus wenig viel zu machen.» Andere Parteien fühlen sich nun genötigt, das Thema ebenfalls zu besetzen – um es nicht der Rechtsaußenpartei zu überlassen.
Elisabeth Kaiser, SPD-Bundesbeauftragte für Ostdeutschland, ärgert sich über diese Entwicklung: «Die Simson ist mehr als ein Moped», sagte sie. «Sie ist vor allem für junge Menschen ein Versprechen von Mobilität und Freiheit im ländlichen Raum. Das ist heute genauso wichtig wie früher.» Es nerve sie, «wenn die Simson von westdeutschen Populisten und Extremisten vereinnahmt wird, die dann damit plakativ unterwegs sind, sich aber sonst für die besonderen Erfahrungen der Ostdeutschen überhaupt nicht interessieren».
Besonders pikant: AfD-Landeschef Björn Höcke aus Thüringen, gebürtig aus Westfalen, warb bereits im Wahlkampf 2024 mit «Simson-Touren» – oft ohne Helm fotografiert.
Vom Nutzmoped zum Identitätsanker
Die politische Aufmerksamkeit kommt nicht von ungefähr. Mehrere ostdeutsche Bundesländer haben das Thema in den vergangenen Monaten auf die Agenda gesetzt: Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) äußerte sich im September, der sächsische Landtag diskutierte im Oktober, Mecklenburg-Vorpommern Anfang November. Sachsen-Anhalt reichte vor wenigen Tagen einen Antrag ein.
35 Jahre nach der Wiedervereinigung wird die Simson zum Symbol für ostdeutsche Identität. Über die Jahrzehnte wurden etwa sechs Millionen Simson-Mopeds gebaut, die seit den 1960er-Jahren auf den Straßen unterwegs sind. Zu DDR-Zeiten war das Moped ein praktisches Fortbewegungsmittel für rund 1000 Mark – während man auf Autos zehn Jahre oder länger warten musste.
SPD-Politikerin Martina Maxi Schmidt betonte den kulturellen Wert des «unverwechselbaren Zweitaktknatterns». Thüringens Ministerpräsident Voigt formulierte es emphatisch: «Simson ist Thüringen, Simson ist Freiheit auf zwei Rädern, Simson ist ein Lebensgefühl.»
Sören Marotz, Ausstellungsleiter des DDR-Museums in Berlin und Historiker, bezeichnet die Simson als «Identitätsanker» für viele Ostdeutsche. «Dass wir Identitätsanker brauchen, liegt in der Natur des Menschen», sagte er. Dabei sei es ursprünglich schlicht ein «praktisches Nutzmoped» gewesen.
Sein Historiker-Kollege Stefan Wolle sieht die politischen Debatten kritischer: «Der ganze Kult, der jetzt gemacht wird, die politischen Debatten, die sind sozusagen nachvollziehende Erfindungen.» Es sei «ein Unterphänomen des Ostkults».
Auch Westdeutsche retteten die Simson
Interessanterweise sind es nicht nur Ostdeutsche, die sich für das DDR-Moped begeistern. Stefan Drönner, 57 Jahre alt, leitet die Simson-Freunde Kassel – sieben passionierte Schrauber aus Westdeutschland. «Uns geht es um die Mopeds», betont er.
Nach 1989 wurden viele Simsons verschenkt, «für eine Kiste Bier am Anfang und dann vielleicht mal für 150 Euro», erinnert sich Drönner. Er ist stolz auf den Beitrag westdeutscher Enthusiasten: «Wenn wir Westdeutschen nicht gewesen wären, würden nicht mehr so viele Simsons auf der Straße sein. Wir haben es eigentlich gerettet. Das sage ich auch jedem Ostdeutschen. Da bin ich auch stolz drauf.»
Elisabeth Kaiser wehrt sich gegen reine Nostalgie: «Für mich steht die Simson nicht für Ostalgie, sondern dafür, dass ostdeutsche Ingenieurskunst immer noch das gesamte Land bereichert, inzwischen sogar als E-Schwalbe mit Elektromotor.»
Hinweis: Dieser Artikel wurde mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt.









