Polen folgte am 1. Januar 2025 auf Ungarn und wird bis zum 30. Juni 2025 dem Rat der Europäischen Union vorsitzen. Diese Funktionen bringen neben der medialen Aufmerksamkeit auch Aufgaben mit sich.
Bevor wir uns mit der Ratspräsidentschaft beschäftigen, gilt es erst einmal zu klären, worum es sich bei dem Rat der Europäischen Union (kurz EU-Rat) handelt. Der EU-Rat vertritt die Regierungen der Mitgliedsstaaten. Je nach Thema sind dies unterschiedliche Minister, weshalb auch vom Ministerrat gesprochen wird. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament ist der EU-Rat für die Gesetzgebung der EU zuständig und entscheidet mit diesem über den Haushalt. Im EU-Rat werden auch die Leitlinien europäischer Politik diskutiert, die entscheidend für die Arbeit der Europäischen Kommission sind.
Was ist die EU-Ratspräsidentschaft?
Die Hauptaufgabe der Ratspräsidentschaft ist die Vorbereitung und Leitung aller Ratssitzungen, einschließlich Arbeitsgruppen und Ausschüsse. Sie vertritt den Rat gegenüber anderen EU-Institutionen wie der Kommission und dem Parlament. Der Staat, der die Ratspräsidentschaft ausübt, kann zudem die EU international vertreten. In diesem Feld teilen sich jedoch die Zuständigkeiten u. a. mit dem Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik und der Europäischen Kommission auf. Ein dem EU-Rat vorsitzendes Land soll weniger seine eigenen Interessen durchsetzen, sondern vielmehr bei der Suche nach Kompromissen helfen. Die Ratspräsidentschaft kann aber inhaltliche Schwerpunkte setzen. Begleitet werden die EU-Ratspräsidentschaften von zahlreichen offiziellen und inoffiziellen Veranstaltungen sowohl in Brüssel als auch in anderen EU-Staaten, was mit viel organisatorischer Arbeit, aber auch einer erhöhten medialen Aufmerksamkeit verbunden ist.

Foto: www.gov.pl
Die Ratspräsidentschaft wechselt turnusgemäß alle sechs Monate, sodass alle Mitgliedstaaten diese abwechselnd ausüben. Um die Koordination zu verbessern, werden drei dieser in sogenannten “Triopräsidentschaften” zusammengefasst. Die drei Staaten stimmen ihre Prioritäten im Voraus ab, sodass an ihnen kontinuierlich gearbeitet werden kann. Polen ist dieses Jahr der erste Staat aus dem Trio gemeinsam mit Dänemark und Zypern.
Polens Prioritäten für die EU
Im Hinblick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine und zahlreicher hybrider Herausforderungen wie Sabotageakte und Cyberangriffe mag es nicht überraschen, dass Polen den Schwerpunkt auf die Stärkung der Europäischen Sicherheit legt. Diese soll in sieben Bereichen verbessert werden: Verteidigung, Schutz von Menschen und Grenzen, Widerstand gegen Einflussnahme aus dem Ausland und Desinformation, Gewährleistung der Sicherheit und Freiheit von Unternehmen, Energiewende, wettbewerbsfähige und widerstandsfähige Landwirtschaft sowie Gesundheitssicherheit.
Besonders wichtig wird wahrscheinlich die Vorbereitung des mehrjährigen Finanzrahmens der EU für die Jahre 2028-34 sein.
Die EU und Polen erwarten aber auch andere Themen in den nächsten Monaten, angefangen vom neuen amerikanischen Präsidenten bis hin zur Reform des Green Deal. Besonders wichtig wird wahrscheinlich die Vorbereitung des mehrjährigen Finanzrahmens der EU für die Jahre 2028-34 sein.
Ausgangslage und Ausblick
Die vorherige Ratspräsidentschaft von Ungarn kommt auf eine gemischte Bilanz. Einerseits konnten viele wichtige Themen nicht bearbeitet werden, da die neue Europäische Kommission nach den Europawahlen 2024 noch nicht berufen war. Andererseits kann Ungarn auf Erfolge wie den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengenraum am 1. Januar 2025 oder die frühe Verabschiedung des EU-Haushaltes stolz sein. Ungewöhnlich waren zu Beginn der Ratspräsidentschaft die unabgestimmten diplomatischen Alleingänge Ungarns, welche viele EU-Partner verstimmten. Gerade bei diesen sind nun die Hoffnungen entsprechend groß, dass Polen einen integrativeren Ansatz verfolgt. Vorsicht ist jedoch geboten. So gilt es zu bedenken, dass Frankreich innenpolitisch instabil ist und Deutschland am 23. Februar einen neuen Bundestag gewählt hat. Sowohl Paris und Berlin sind also innenpolitisch gut beschäftigt. Ob es da noch Kapazitäten geben wird, um wichtige europapolitische Fragen zu klären, ist offen. Nicht zu vergessen ist auch der Präsidentschaftswahlkampf in Polen, der fast gleichzeitig mit der Ratspräsidentschaft beginnt. Da Ungarn aber die Messlatte sehr niedrig ansetzte, kann man der polnischen EU-Ratspräsidentschaft mit vorsichtigem Optimismus entgegen schauen.
Martin Wycisk