Über das Deutsch-Polnische Barometer 2024 und dessen Ergebnisse sprach Andrea Polanski mit Dr. Agnieszka Łada-Konefał, der stellvertretenden Direktorin des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt und Autorin der Studie.
Das Deutsch-Polnische Barometer untersucht seit dem Jahr 2000 die Meinungen von Polen und Deutschen über die gegenseitige Wahrnehmung, die deutsch-polnischen Beziehungen sowie deren aktuelle Herausforderungen. Wie entstand die Idee, ein solches Instrument der Meinungsforschung einzuführen?
Das Barometer wurde im Jahr 2000 ins Leben gerufen, als sich Polen auf den Beitritt zur Europäischen Union vorbereitete. Im Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau wurde erkannt, dass die europäische Integration nicht nur rechtliche und wirtschaftliche Fragen umfasst, sondern vor allem die Beziehungen zwischen Menschen. Obwohl es auch Studien zu den polnisch-französischen oder polnisch-schwedischen Beziehungen gab, wurden die deutsch-polnischen Beziehungen als die bedeutendsten betrachtet und als ein dauerhaftes Monitoring des gegenseitigen Wahrnehmens weiterentwickelt. Seine Einzigartigkeit liegt in der Analyse der Meinungen beider Seiten, was ihn von anderen Studien wie etwa der der CBOS abhebt. Das Barometer untersucht regelmäßig das Bild des Nachbarn und die Bewertung der deutsch-polnischen Beziehungen und liefert wertvolle Daten über diese Verhältnisse.
Das Barometer untersucht unter anderem das Bild vom Nachbarn und die Bewertung des Zustands der gegenseitigen Beziehungen. Wie steht es 2024 um die Polen und Deutschen?
Polen und Deutsche nehmen Veränderungen in den deutsch-polnischen Beziehungen wahr, insbesondere auf der höchsten politischen Ebene, was auf beiden Seiten der Grenze sichtbar ist. Im Jahr 2024 bewertet die Mehrheit der Befragten in beiden Ländern (Zwei Drittel) diese Beziehungen positiv. Interessant ist die Analyse der Gründe für diese Wahrnehmung. Die meisten, die die Beziehungen als gut einschätzen, betonen die starken wirtschaftlichen Verbindungen, die zur Aufrechterhaltung guter Beziehungen motivieren. Dennoch bewertet eine Minderheit – etwa jeder fünfte Befragte – diese Beziehungen negativ. Sie machen sowohl die Regierungen Polens als auch Deutschlands für die schlechten Beziehungen verantwortlich und weisen auf unterschiedliche politische Interessen hin.
Agnieszka Łada-Konefał: „Ich hoffe, das Ende der Wahlkämpfe wird zu einer größeren politischen Stabilität in beiden Ländern führen, was zu einer Verbesserung der Bereitschaft zur Zusammenarbeit erhöht.“
Welche Themen stehen im Fokus des gegenseitigen Wahrnehmens, und wie haben sich diese im Laufe der Jahre verändert?
Im Laufe der Jahre zeigen die Studien des Barometers deutliche Unterschiede in den Assoziationen zwischen Polen und Deutschen. Auf polnischer Seite dominieren historische Assoziationen. Polen verbinden mit den Deutschen häufig Begriffe wie Hitler, Krieg, Ghetto und Faschismus – jede fünfte Assoziation betrifft die Geschichte. Dennoch ist ein Rückgang solcher Antworten über die letzten vier Jahre zu beobachten. Gleichzeitig nahmen negative Assoziationen bezüglich der Charaktereigenschaften der Deutschen zu. Auf der deutschen Seite machen historische Assoziationen nur wenige Prozente aus, was zeigt, dass dieses Thema dort eine geringere Rolle spielt. Stattdessen assoziieren Deutsche Polen am häufigsten mit Tourismus und Urlaub – jede vierte Assoziation bezieht sich auf positive Erfahrungen mit der Freizeitgestaltung. Auf polnischer Seite machen touristisch-kulturelle Assoziationen hingegen nur einen kleinen Anteil aus, was die Unterschiede in der Wahrnehmung der beiden Nationen verdeutlicht. Erstmals in den Studien nannten deutsche Befragte in Bezug auf Polen ihre polnischen Wurzeln, wie etwa Großeltern, Ehepartner oder den Geburtsort. Dies könnte auf eine größere Offenheit polnischstämmiger Personen in Deutschland, diese Tatsache bekannt zu machen und ihre aktivere Beteiligung am öffentlichen Leben, hinweisen, etwa bei Umfragen.
Im Jahr 2023 änderte sich die Regierung in Polen. Fand dies im Barometer Ausdruck?
Ja, der Regierungswechsel in Polen im Jahr 2023 spiegelte sich insbesondere auf deutscher Seite in den Ergebnissen des Barometers wider. Das Bild Polens als Staat verbesserte sich deutlich, insbesondere in Bereichen wie der Achtung der Menschenrechte, demokratischen Prinzipien, Pressefreiheit sowie der Rechte von Frauen und Minderheiten. Obwohl das Gesamtbild Polens weiterhin ambivalent bleibt, kann der Anstieg positiver Meinungen in Deutschland der Regierungsänderung und den positiven medialen Berichten über geplante oder bereits umgesetzte Veränderungen in Polen zugeschrieben werden.
Was sind die wichtigsten politischen Herausforderungen aus Sicht der Polen und Deutschen?
Seit zwei Jahren analysieren wir intensiv Themen wie den Krieg in der Ukraine und Sicherheitsfragen, die für ganz Europa zu zentralen politischen Herausforderungen geworden sind. In diesem Kontext zeigt sich, dass Polen und Deutsche derzeit eine ähnliche Haltung zur Bedrohung durch Russland und zur Unterstützung der Ukraine haben. Dies ist eine besondere Situation, da es in diesen Fragen über Jahre hinweg signifikante Unterschiede gab. Dennoch gibt es gewisse Unterschiede: Polen fühlen sich stärker von Russland bedroht, sind eher bereit, die Ukraine zu unterstützen, und sehen die Dringlichkeit solcher Maßnahmen. Gleichzeitig bewerten sie die deutsche Unterstützung für die Ukraine als unzureichend.
Welche Prognosen zu den deutsch-polnischen Beziehungen und der bilateralen Zusammenarbeit lassen sich aus den Ergebnissen des Barometers ableiten?
Der Machtwechsel im Nachbarland kann generell das gegenseitige Wahrnehmen von Polen und Deutschen beeinflussen, wobei ein Regierungswechsel in Deutschland die polnischen Meinungen vermutlich nicht wesentlich verändern wird. Ich hoffe, das Ende der Wahlkämpfe wird zu einer größeren politischen Stabilität in beiden Ländern führen, was zu einer Verbesserung der Bereitschaft zur Zusammenarbeit erhöht und sich positiv auf die Beziehungen auswirkt. Entscheidend wird sein, gemeinsame Interessen zu betonen, um den Beziehungen eine positive Dynamik zu verleihen.
Welchen konkreten Nutzen sehen Sie in den Ergebnissen des Barometers für die praktische Gestaltung der deutsch-polnischen Beziehungen?
Das Barometer spielt eine wichtige Rolle als Messinstrument für die Stimmungslage in den deutsch-polnischen Beziehungen und ist dadurch äußerst praktisch für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Maßnahmen. Ergebnisse wie die Assoziationen mit dem anderen Land werden von Botschaften und Institutionen, die für die öffentliche Diplomatie und Werbung zuständig sind, genutzt, um ihre Maßnahmen besser auszurichten. Ein zentraler Schluss ist, dass Deutsche, die Polen besuchen, ein besseres Wissen über das Land haben und es positiver wahrnehmen, was zeigt, dass sich solche Besuche lohnen. Dies betrifft sowohl politische Treffen, Jugendaustausche als auch Projekte in den Bereichen Kultur oder kommunale Partnerschaften. So können die deutsch-polnischen Beziehungen auf solideren Grundlagen aufgebaut werden, die auf einem besseren gegenseitigen Verständnis basieren.