Nach den Explosionen an den Nord Stream-Erdgasleitungen im September 2022 hat die Bundesanwaltschaft in Italien einen tatverdächtigen Ukrainer festnehmen lassen. Dem 49-jährigen Serhij K. wird gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vorgeworfen.
Der Mann soll zu der Gruppe gehören, die die Sprengsätze platzierte - mutmaßlich sogar als einer der Koordinatoren. Die italienischen Carabinieri fassten ihn in der Nähe des Badeortes Rimini an der Adria, wo er mit seiner Familie Sommerurlaub verbrachte.
Pipeline-System unter der Ostsee
Die 1.224 Kilometer lange Nord Stream 1-Pipeline wurde 2011/2012 in Betrieb genommen und transportierte 55 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr nach Deutschland. Zwei parallel verlaufende Leitungsstränge erreichen das deutsche Festland in Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern.
Nord Stream 2 wurde Ende 2021 fertiggestellt, erhielt aber wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine keine Betriebserlaubnis. Von Lubmin starten Leitungen nach Süden und Westen, die eigens für die Weiterleitung des russischen Gases errichtet wurden.
Internationale Warnungen vor dem Bau
Länder wie Polen, die Ukraine und die USA hatten vor dem Bau von Nord Stream 2 gewarnt, weil sich Deutschland zu sehr von russischen Energielieferungen abhängig mache. Die USA drohten beteiligten Unternehmen sogar mit Sanktionen.
Zum Schutz vor US-Sanktionen gründete das Land Mecklenburg-Vorpommern Anfang 2021 die «Stiftung für Klima- und Umweltschutz MV». Unter ihrem Mantel wurde Nord Stream 2 fertiggestellt.
Schröder als Zeuge geladen
Ein Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag ist mit dem Fall befasst. Als Zeuge ist unter anderem Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geladen, der nach seinem Ausscheiden aus der Politik lange Jahre für russische Energiekonzerne aktiv war.
Er fungierte unter anderem als Präsident des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG. Die stark beschädigten Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sind geopolitisch hochumstritten.
Explosionen nahe Bornholm
Am 26. September 2022 ereigneten sich an beiden Gasleitungen nahe der dänischen Insel Bornholm mehrere Explosionen. Drei der vier Stränge der beiden Leitungen wurden dabei schwer beschädigt.
Die mutmaßlichen Täter sollen über Mittelsmänner eine Segeljacht in Rostock gemietet und damit den Sprengstoff zu den Gasleitungen gebracht haben. Ermittler fanden an der «Andromeda» später Spuren von Unterwassersprengstoff.
Festnahme während Familienurlaub
Bei der Anmeldung im Hotel fielen den italienischen Carabinieri die Daten von Serhij K. auf, da er mit europäischem Haftbefehl gesucht wurde. Er verbrachte seit einigen Tagen mit seiner Frau und zwei Kindern im Alter von sechs und neun Jahren Sommerurlaub in Italien.
Bei der Festnahme am frühen Morgen leistete er keinen Widerstand. Er sitzt nun im Gefängnis in Rimini und soll nach Deutschland überstellt werden, wo der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe über die Untersuchungshaft entscheidet.
Weitere Verdächtige gesucht
Auch der Ukrainer Wolodymyr Z. wird mit einem Europäischen Haftbefehl gesucht. Er soll Tauchlehrer sein und hielt sich zunächst in Polen auf, setzte sich dann aber in sein Heimatland ab.
Die italienischen Behörden prüfen zusätzlich, ob Serhij K. in Anschläge auf Schiffe der russischen «Schattenflotte» im Mittelmeer verwickelt war. Bis zur Haftvorführung könnte es noch einige Wochen dauern.
Pipelines gelten als reparierbar
Die Pipelines gelten als schwer beschädigt, aber reparierbar. Sie wurden bisher nicht endgültig aufgegeben - im März gestattete Dänemark der Nord Stream 2 AG sogar Erhaltungsmaßnahmen am Ort der Explosionen.
Gas-Analyst Heiko Lohmann sieht allerdings keinen Druck für eine Wiederinbetriebnahme. Die EU habe den USA zugesichert, in den kommenden drei Jahren Energie für 750 Milliarden Dollar aus den USA zu importieren: «Es ist unrealistisch, dass man so viel gebrauchen kann.»
Amerikanische Investoren im Fokus
Ein drohender Konkurs der Nord Stream 2 AG wurde im April in letzter Minute abgewendet. In Medien wurde über den Einstieg von US-Investoren spekuliert, darunter Stephen P. Lynch, ein Unterstützer von US-Präsident Donald Trump.
Lohmann äußerte sich skeptisch: «Die Sache mit den amerikanischen Investoren war im Frühjahr ein großer Hype, aber es ist nicht zu erkennen, dass seit April in diese Richtung irgendetwas vorangetrieben worden ist. Es hat sich nichts getan, das irgendeine Marktreaktion hervorgerufen hätte.»
Verhandlungsmasse im Ukraine-Krieg
Der Pipeline-Betrieb könnte Teil einer amerikanisch-russischen Vereinbarung zur Beilegung des Ukraine-Kriegs werden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte im März im staatlichen Fernsehen gesagt: «Über Nord Stream wird gesprochen.»
Nach Lohmanns Wissen sind auch keine größeren Reparaturarbeiten im Gange. Das in der Schweiz ansässige Unternehmen kann aber weiter nach Investoren suchen.
Verwendete Quellen: "DPA" Hinweis: Dieser Artikel wurde mithilfe von Künstlicher Intelligenz überarbeitet.