Ein Kriminalpsychologe hat zehn Jahre nach der Kölner Silvesternacht 2015/16 ein umfassendes Gutachten vorgelegt, das die sexuellen Übergriffe als beispiellos in der deutschen und europäischen Geschichte beschreibt. Rudolf Egg wertete für den nordrhein-westfälischen Landtag über 1.000 Anzeigen aus und liefert neue Einblicke in die Mechanismen jener Nacht, die Deutschlands Migrationsdebatte nachhaltig veränderte.
Egg sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ein solches Geschehen hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben, auch nicht in einem anderen europäischen Staat.» Seine Analyse zeigt, dass die Übergriffe nicht geplant waren, sondern spontan eskalierten.
Hilflosigkeit und soziale Ansteckung
Die Opfer erlebten eine Situation völliger Ohnmacht. «Die Frauen empfanden einen Zustand völliger Hilflosigkeit, weil die Polizei entweder gar nicht da war oder nicht eingriff», berichtete Egg der dpa. «Sie gaben auch übereinstimmend an, dass sie die Täter gar nicht richtig beschreiben könnten, weil alles so schnell gegangen sei.»
Eine Frau schilderte Egg ihre Erfahrung am Bahnhofsvorplatz: «Plötzlich, so schilderte es die Frau, wurden sie von hinten begrapscht, und als sie sich umdrehten, blickten sie in die grinsenden Gesichter mehrerer junger Männer mit südländischem Aussehen. Wer was gemacht hatte, konnten sie in dieser Situation gar nicht sagen.»
Der Psychologe widersprach der These einer geplanten Aktion. «Es ist keineswegs davon auszugehen, dass alle mit dem Plan angereist sind, Frauen zu belästigen», erklärte er. Stattdessen habe es sich um eine «Art soziale Ansteckung» gehandelt. Einige hätten begonnen, andere seien nachgezogen, als sie merkten, dass nichts geschah.
Die juristische Bilanz
Die Staatsanwaltschaft Köln dokumentierte insgesamt 1.210 Strafanzeigen, davon 511 wegen sexueller Übergriffe. Fünf Vergewaltigungen und 16 Vergewaltigungsversuche wurden angezeigt. Die Kölner Polizei identifizierte 290 Tatverdächtige, überwiegend aus Nordafrika, vor allem aus Algerien und Marokko.
Angeklagt wurden 46 Personen, verurteilt 36. Nur zwei Verurteilungen erfolgten wegen sexueller Nötigung. Im ersten Prozess 2016 erhielt ein marokkanischer Asylbewerber eine Bewährungsstrafe wegen Diebstahls.
Folgen für die Willkommenskultur
«Die Stimmung im Land, die vorher von der Willkommenskultur geprägt war, hat sich gedreht und pauschalisierend gegen Migranten gerichtet», stellte Egg fest. Die Kölner Polizei hatte das Ausmaß der Übergriffe zunächst nicht öffentlich gemacht, was die Debatte zusätzlich anheizte.
Der Psychologe kritisierte die fehlende Differenzierung: «Für solche Differenzierungen war damals kein Platz, es wurden dann alle über einen Kamm geschert.» Dabei hatte etwa ein afghanischer Flüchtling im ersten Prozess einem Opfer geholfen, indem er rief: «Das ist der Dieb!»
Skeptische Einordnung von Experten
Soziologe Steffen Mau äußerte im dpa-Gespräch Zweifel an der These einer radikalen Wende: «Dass 2015/16 wirklich so eine Scheidelinie in der Migrationspolitik war - da bin ich skeptisch.» Er verwies auf Umfragedaten: «Wenn man sich die Sonntagsfrage von 2020 bis 2022 anschaut: Da lag die AfD die meiste Zeit zwischen 9 und 11 Prozent. Der wirkliche Zuwachs fand erst hinterher statt, als der lange Sommer der Migration und die Kölner Silvesternacht schon lange zurücklagen.»
Der israelisch-deutsche Psychologe Ahmad Mansour sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: «Die Willkommenskultur war damals schon eine Illusion. Viele Menschen sind dem Thema Migration sehr naiv begegnet.» Er forderte tiefgreifende Integrationskonzepte: «Wir müssen viel tiefer gehen, und das erfordert harte Arbeit auf beiden Seiten.»
Ein Opfer, das zehn Jahre später mit dem Kölner Stadt-Anzeiger sprach, berichtete von anhaltenden Vorbehalten gegenüber Männern nordafrikanischer Herkunft: «Ich ermahne mich selbst immer wieder, mein Erlebnis nicht zu pauschalisieren – bis heute. Das ist sehr anstrengend. Aber wenn man das nicht tut, dann werden negative Gefühle zu Hass.»
Hinweis: Dieser Artikel wurde mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt.



