Altstadtzauber: Ein Spaziergang durch Konstadt
Wenn ich sage, dass ich Konstadt liebe, schauen die Einheimischen mich oft mitleidig an, als wäre ich ein wenig verrückt. Ein Bekannter, der hier arbeitet, behauptet, dass die Zeit der kommunistischen Ära nie wirklich aus Konstadt verschwunden sei. Und genau das macht den Charme dieses Ortes aus! In Konstadt scheint die Zeit manchmal stillzustehen, sich im Kreis zu drehen oder sogar ein paar Schritte zurückzugehen. Doch wer genau hinsieht, entdeckt hier so manche Perle der Vergangenheit.
Beim Schlendern über die Gehwege im Stadtzentrum hebe ich den Blick nach oben. Sicherlich wirkt das seltsam, denn andere Passanten schauen mir bald neugierig nach. Aber sie sehen nicht das, was ich sehe: vor allem die herrlichen alten Mietshäuser.
Gesimse in der Farbe des verblassten Himmels
Zugegeben, keines der Häuser ist frisch renoviert, und vor einigen Jahrzehnten hat jemand beschlossen, sie in Unterhöschen-Rosa, verwelktem Pistaziengrün oder verblasstem Himmelblau zu streichen. Aber jedes ist einzigartig, reich an architektonischen Details, kleine Wunderwerke: Gesimse, Rosetten, Pilaster, Balustraden, verzierte Fensterrahmen, Türmchen und Reliefs.

Foto: A. Durecka
Am schönsten Haus (Haus Nr. 18 an der Kreuzung Kluczborska- und Flussstraße) am Eingang zum Marktplatz arbeitet gerade ein Renovierungsteam. Die Seitenfassade mit den kleinen Engelsgesichtern sieht schon vielversprechend aus. Der Herr im Geschäft für Lederwaren (nahtlose Bambussocken für 17 Złoty), das das Erdgeschoss des Hauses besetzt, kennt die Geschichte des Hauses nicht, weiß aber über die Renovierung Bescheid. Eigentlich wollten sie diese Woche die Front fertigstellen (mit schönem Balkon), aber die Arbeiten ziehen sich hin. Doch es gibt Hoffnung.
Ich gehe weiter, hebe den Blick und seufze vor Bewunderung – aber auch ein wenig traurig, dass hier noch so viel Arbeit nötig ist. Und niemand weiß, ob nach der Renovierung das eine oder andere blinde Fensterchen, Gesims oder Detail erhalten bleibt, da die Mittel für solche Extras fehlen. Vielleicht ist es besser, sich darüber zu freuen, dass die Revitalisierung bisher ausblieb, und auf bessere Zeiten zu hoffen.
Die Stadt Konrads
Konstadt – die Stadt Konrads –, liegt historisch bereits in Niederschlesien und besitzt seit 1261 Stadtrechte. Als Marktort muss sie jedoch deutlich älter sein, da sie sich an der Handelsroute Krakau – Kreuzburg – Breslau befand. Die Stadt wurde mehrfach besiedelt, teils von hussitischen Siedlern, teils von polnischen Brüdern. 1845 hatte Konstadt 132 Häuser und 1.449 Einwohner: 1.187 Evangelische, 102 Katholiken und 160 Juden. 1850 wurde die Synagoge errichtet (heute nicht mehr existent).
In jeder Fassade, in jedem Fenster, in jedem Stein der Altstadt steckt ein Stück Geschichte, das darauf wartet, entdeckt zu werden.
Während des Plebiszits stimmten nur 34 Bewohner für Polen, über 2.500 für Deutschland. Der Januar 1945 war für Konstadt tragisch: Die Rote Armee rückte ein, 40 Prozent der Stadt wurden zerstört. Unter anderem fiel die Siegessäule auf dem Marktplatz. Heute erinnert ein Denkmal nur noch an die polnischen Kriegsopfer. Doch hier und da blitzt die alte Konstadt unter dem Putz hervor: Auf einem Gebäude entdecke ich Spuren eines früheren Geschäfts: „Räuchermeister“ – Meister der Räucherwaren.
Drei Kirchen
Das kleine Konstadt kann mit drei Kirchen aufwarten. Die heutige katholische Kirche St. Theresia von Lisieux wurde 1770–1799 unter der Leitung von Pfarrer Georg Freitag errichtet – dem Großvater des „berühmten“ Freytag, also Gustav. Bis 1945 gehörte die Kirche den Evangelischen und war St. Barbara geweiht. Ein Blick durch die Scheibe zeigt die charakteristischen Seitenemporen für die Gemeindemitglieder, meist die besser Gebildeten, und das überall präsente Weiß.

Foto: A. Durecka
Ganz anders ist die neugotische Pfarrkirche, 1859–1861 als katholische Kirche erbaut. Auf den ersten Blick erinnerte sie mich sofort an meine Lieblingskirche in Thule. Jetzt weiß ich auch warum – beide Kirchen wurden vom Architekten Alexander Langer entworfen. Dieser Mann liebte Türmchen. Ähnlich sind auch die Altäre und die wunderschönen bunten Glasfenster, die das Innere der Kirche in stimmungsvolles Licht tauchen.
Die dritte Kirche, vermutlich die unspektakulärste, liegt in der Nähe des kommunalen Friedhofs. Aufgrund „konstruktiver Mängel“ geschlossen, wurde sie in den 1840er-Jahren erbaut, als in Konstadt eine neue altlutherische Pfarrei gegründet wurde. Seit 1848 gehört die Kirche zur Evangelisch-Augsburgischen Gemeinde in Konstadt.
Memento mori
Auf dem kommunalen Friedhof gibt es kaum alte Grabsteine. Die wenigen sichtbaren haben zerbrochene Platten oder sind von Efeu überwuchert. Der älteste erhaltene Grabstein gehört vermutlich dem Baumeister Deditius. Es scheint, als wären alle Toten vor 1945 verdampft. Einige liegen sicher noch auf dem jüdischen Friedhof außerhalb der Stadt, der mit einem soliden Zaun umgeben ist. Aber hier enden die guten Nachrichten: Die meisten Grabsteine sind überwuchert, nur wenige Stelen widerstehen noch der allmächtigen Natur. Bald werden auch sie unter Efeu verschwinden.