Das Erzbistum Köln hat die Anerkennungszahlung für Missbrauchsopfer Melanie F. deutlich erhöht. Die 59-Jährige erhielt von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) nun insgesamt 360.000 Euro – die höchste Summe, die das Erzbistum bisher an ein Opfer gezahlt hat. Ihr Anwalt Eberhard Luetjohann bestätigte die Zahlung am Mittwochabend gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur. Trotz der Erhöhung kämpft Melanie F. weiter vor Gericht für Schmerzensgeld von mindestens 850.000 Euro.
Melanie F. reagierte mit gemischten Gefühlen auf die Nachricht. «Ich weiß gar nicht, ob ich mich freuen soll», sagte sie. Sie fragte sich: «Wieso jetzt? Woher der Sinneswandel? Ob der Papst da vielleicht einen Wink gegeben hat?» Im August hatte sie Beschwerde gegen Kölns Erzbischof Kardinal Rainer Woelki beim Papst eingereicht.
Der Missbrauch und seine Folgen
In den 1980er Jahren missbrauchte ihr Pflegevater Hans Ue. Melanie F. jahrelang. Der damalige Diakon und spätere Priester hatte die Vormundschaft für die 13-Jährige mit Erlaubnis des früheren Kölner Erzbischofs Kardinal Joseph Höffner übernommen. Melanie F. lebte als eines der «Kaplanskinder» in seiner Dienstwohnung.
Der Missbrauch geschah regelmäßig. «Immer samstags», berichtete Melanie F., «zwischen Beichte und Abendmesse». Hans Ue. nahm ihr sogar nach den Übergriffen die Beichte ab. Sie erlitt zwei ungewollte Schwangerschaften durch den Täter, eine endete mit einer Abtreibung. Das Landgericht Köln verurteilte Hans Ue. 2022 zu zwölf Jahren Haft.
Juristische Auseinandersetzung geht weiter
Parallel zur erhöhten Anerkennungszahlung klagt Melanie F. auf Schmerzensgeld. Das Landgericht Köln hatte ihre Klage im Juli abgelehnt. Die Richter argumentierten, das Erzbistum könne nicht haftbar gemacht werden, da Hans Ue. die Taten als Privatperson begangen habe – nicht in Ausübung seines priesterlichen Amtes. Melanie F. ging in Berufung vor dem Oberlandesgericht Köln.
Hier entbrennt eine grundsätzliche Debatte: Das Erzbistum ließ vor Gericht erklären, die UKA-Zahlung sei «als freiwillige Leistung und unabhängig von Rechtsansprüchen erbracht» worden. Gleichzeitig argumentieren die Anwälte: «Würde der Klägerin ein Schmerzensgeldanspruch zustehen, wäre dieser durch die erfolgten Anerkennungsleistungen ... erfüllt worden.»
Melanie F.s Anwalt Luetjohann hält diese «Vermengung» von freiwilligen Zahlungen und rechtlichen Ansprüchen für «abwegig». Der Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen kritisiert das Vorgehen scharf: «Wenn Missbrauchsopfer den Klageweg beschreiten und vor einem ordentlichen Gericht Recht bekommen, soll aus der freiwilligen Leistung doch ein Schmerzensgeld werden? Das mag der Form nach angehen, ist aber dem Vorgehen nach dennoch höchst fragwürdig.»
Präzedenzfall veränderte die Praxis
Die deutliche Erhöhung der Zahlung hat einen konkreten Hintergrund: 2023 verurteilte das Landgericht Köln das Erzbistum im Fall des früheren Messdieners Georg Menne zur Zahlung von 300.000 Euro Schmerzensgeld. Dieses Urteil setzte erstmals einen juristischen Maßstab für Entschädigungen bei klerikalen Missbrauchsfällen.
Der frühere Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Köln, Lothar Jaeger, erklärte: Bis zum «Fall Menne» gab es «überhaupt keine einschlägige Rechtsprechung zu Schmerzensgeld bei sexuellem Missbrauch durch Geistliche». Die UKA orientiert sich an dieser Rechtsprechung – und musste nach dem Urteil ihre Bewertungen anpassen. Melanie F. hatte ursprünglich vor drei Jahren 70.000 Euro erhalten, nun kamen 290.000 Euro hinzu.
Bundesbeauftragte fordert mehr Engagement
Kerstin Claus, die Missbrauchsbeauftragte des Bundes, betont im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger und dem WDR die Bedeutung hoher Zahlungen. «kein Betrag der Welt» könne eine verlorene Kindheit wiedergutmachen. «Aber wir wissen, dass Betroffene massiver sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend häufig auch armutsbetroffen sind. Die Biografie ist meist geprägt von diversen Brüchen und Belastungen, die aus den Erfahrungen der Kindheit und Jugend resultieren.» Die Zahlungen seien wichtig, «dass erlittenes Leid so anerkannt wird».
Claus lobte das strukturierte Verfahren der katholischen Kirche. Die evangelische Kirche sei «um Jahre hinterher», was für Betroffene «tatsächlich desaströs» sei.
Zugleich kritisierte sie die Bundesregierung scharf: Der «Fonds Sexueller Missbrauch» erhalte trotz Zusagen im Koalitionsvertrag keine neuen Mittel. Sie forderte, Sportförderung einzufrieren, wenn Kinderschutz nicht garantiert sei.
Grundsatzfrage um das Priesterbild
In ihrem Brief an Papst Leo XIV. im August hatte Melanie F. geschrieben: Woelkis Argumentation, ein Priester könne Taten in seiner Freizeit begehen, «ist nicht nur für mich, sondern auch für viele andere Katholiken – und auch für kluge Theologen – wie ein Schlag ins Gesicht». Sie forderte den Papst auf, «im Erzbistum Köln der Gerechtigkeit und der Wahrheit wieder einen Weg bahnen».
Kardinal Woelki reagierte umgehend und klarstellte sein Verständnis: Ein Priester sei «immer Priester» und habe «nie einfach Feierabend». Er «ist berufen, das Wort Gottes zu verkünden, die Sakramente zu feiern, zu beten, zu segnen und zu helfen, wann immer es nötig ist. Er steht mit seinem ganzen Leben im Dienst Gottes und der Menschen».
Die Deutsche Bischofskonferenz richtete die UKA 2021 ein. Sie prüft Fälle auf Plausibilität – bewusst weniger formal als staatliche Gerichte – und zahlt «ohne Anerkennung einer Rechtspflicht». 2023 gingen 620 Widersprüche ein, 2024 waren es 358.
Hinweis: Dieser Artikel wurde mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt.





