Der Zollstreit zwischen den USA und der EU könnte sich zu einem weitreichenden Konflikt mit schweren Folgen für Europa entwickeln. «Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg könnten sich Amerikaner und Europäer nicht nur als wirtschaftliche Wettbewerber, sondern als Gegner mit unvereinbaren geopolitischen Vorstellungen gegenüberstehen», warnt Laura von Daniels von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einem Szenarienpapier.
Der Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump berge ein enormes Spaltpotenzial für die EU, betont die Leiterin der SWP-Arbeitsgruppe Amerika. Die Kosten der US-Zölle seien in der EU ungleich verteilt.
Trump setzt auf Spaltung Europas
Einige Mitglieder wie Deutschland, Irland oder Italien seien exportorientierter und daher stärker betroffen. «Ließen sich diese Länder dazu hinreißen, einzelne bilaterale Absprachen mit Trump einzugehen, wäre die Kraft des Binnenmarkts reduziert und die Zukunft der EU bedroht», so von Daniels.
Trump werde zudem nicht aufhören, Wirtschafts- mit Sicherheitspolitik zu vermischen, um die EU zu spalten. Während Staaten an der östlichen Flanke einen potenziellen Rückzug der USA aus Europa als existenzielle Bedrohung sehen, bewerten andere Mitgliedstaaten die sicherheitspolitischen Implikationen als weniger dramatisch.
Zollfrist bis August verschoben
Zuletzt verschob US-Präsident die Frist für neue Zölle auf den 1. August. Bereits im April hatte Trump einen Basiszoll in Höhe von zehn Prozent auf fast alle Importe aus der EU eingeführt. Zusätzlich gelten Sonderzölle auf bestimmte Produkte, etwa auf Stahl- und Aluminium- sowie Autoimporte.
Mit seiner Zollpolitik will Trump unter anderem erreichen, dass mehr in den USA produziert wird. Die EU hat angedrohte Gegenzölle auf Eis gelegt, solange die Verhandlungen laufen.
Drei mögliche Szenarien
Von Daniels hält eine Lösung, bei der die USA ihre Zölle komplett zurücknehmen, für unrealistisch. Dafür müsste die EU gewaltige Zugeständnisse machen. Die Expertin skizziert drei realistische Szenarien für die weitere Entwicklung.
So könnte die EU für einen schnellen «Deal» mit Trump einen generellen US-Einfuhrzoll von zehn Prozent auf die meisten Waren akzeptieren. Im Gegenzug könnte die US-Regierung feste Quoten für die zollfreie Einfuhr bestimmter Güter bieten, etwa bei speziellen Stahl- und Aluminium-Produkten.
Warnung vor kurzfristigem Deal
«Für eine frühe Einigung spricht aus US-Sicht, dass Trump gegenüber den Finanzmärkten eine gemäßigte Politik signalisieren könnte», schreibt die Expertin mit Blick auf das gestiegene Kreditrisiko der USA und den schwachen US-Dollar. Zugleich warnt sie: «Für die EU bleibt ein nicht geringes Risiko, dass ein Deal mit Trump nur von recht kurzer Dauer sein könnte.»
So drohten im Herbst weitere US-Zölle auf bestimmte Branchen. Ein früher Deal sei vielmehr ein «wirtschaftspolitischer Waffenstillstand», der Zeit verschafft und unmittelbar hohe Kosten einer Eskalation erspart.
Vollständiger Handelskrieg möglich
In einem zweiten Szenario wird nach Einschätzung der Expertin ohne Lösung weiter verhandelt, die Kosten aufgrund bereits erlassener Zölle stiegen. Trump werde die EU mit sicherheitspolitischen Provokationen unter Druck setzen - ein Streit über die richtige Verhandlungstaktik könnte die anfangs einheitliche Haltung der EU zum Einsturz bringen.
Schließlich könnte ein voller Handels- und Wirtschaftskrieg zwischen den USA und der EU ausbrechen. Von Daniels schließt nicht aus, dass Trump dann die Nato unter Druck setzt, indem er beispielsweise noch weit umfassender US-Truppen aus Europa abzieht als bisher bereits in Sicherheitskreisen angenommen wird.
EU muss sich vorbereiten
Mögliche Gegenmaßnahmen der EU, die auch digitale Dienstleistungen und Eigentumsrechte in der EU betreffen, würde Trump wiederum mit Finanzsanktionen, einem Lieferstopp von Flüssiggas oder Exportkontrollen für US-Software kontern. Was Trumps wahre Ziele sind, bleibe für die Handelspartner unklar.
Klar sei nur: «Die EU und Deutschland als wirtschaftlich wichtigstes Mitgliedsland und politisches Schwergewicht müssen für den Fall, dass eine Einigung ausbleibt, vorbereitet sein», so von Daniels.
(dpa) Hinweis: Dieser Artikel wurde mithilfe von Künstlicher Intelligenz überarbeitet.