Bernard Gaida zieht Bilanz
Mit Bernard Gaida, dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der FUEN, sprach Andrea Polanski über die politische Lage und die Interessenvertretung deutscher Minderheiten in Europa, die Rolle der AGDM in Wahljahren sowie die Erfolge und Herausforderungen der letzten Amtsperioden.
2025 war ein Wahljahr in vielen europäischen Ländern. Welche Unterschiede sehen Sie aus deutscher Perspektive in Bezug auf die Situation deutscher Minderheiten – aber auch in Ländern wie Polen, Rumänien oder Tschechien, wo ebenfalls Wahlen anstehen?
Aus der Vogelperspektive betrachtet unterscheiden sich die Situationen natürlich von Land zu Land. Wir merken teilweise, dass die gesellschaftliche Stimmung anti-europäischer oder euroskeptischer geworden ist als früher. Auch die Positionierungen zu Konflikten, wie etwa dem russischen Angriff auf die Ukraine, variieren stark zwischen den Ländern. Das beeinflusst sehr stark auch die Einstellung zur Migrationspolitik, die politisch von nationalistisch und eurokritisch orientierten Parteien genutzt wird.
Für uns als Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) ist es wichtig, wie die Stimmung in den jeweiligen Ländern ist. In Deutschland gab es 2025 ebenfalls Wahlen, die uns neue Perspektiven eröffnet haben. Insgesamt würde ich sagen, dass sich die Lage nach den Wahlen generell nicht verschlechtert hat, obwohl die politische Atmosphäre in Europa insgesamt derzeit in gefährlicher Bewegung ist.
Haben die Wahlkämpfe in Polen, Rumänien und Deutschland das Thema der deutschen Minderheit aufgegriffen?
In Deutschland ist das Thema deutscher Minderheiten tatsächlich stärker in den Fokus gerückt. Vor den Wahlen haben wir viel dafür getan, dass es Beachtung findet, insbesondere weil wir in der vorherigen Legislaturperiode durch die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag nicht erwähnt wurden. Zwar wurden wir weiterhin gefördert, aber die fehlende Nennung in einem so zentralen politischen Dokument hielten wir für problematisch. Nach den letzten Bundestagswahlen hat sich die Situation deutlich verändert: Die deutschen Minderheiten werden nun nicht nur erwähnt, sondern die Förderung und Unterstützung ist stärker begründet – im Kontext der allgemeinen Politik, der Verantwortung und der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland. Das war ein wichtiges Ziel für uns, und ich bin in dieser Hinsicht sehr zufrieden.
Aktuell befinden wir uns in der Phase, in der manche im Koalitionsvertrag gemachten Versprechen erst umgesetzt werden. Dazu gehört beispielsweise die Bündelung aller Förderressourcen, die früher auf das Auswärtige Amt, die BKM und das BMI verteilt waren, nun unter dem Dach des Bundesministeriums des Innern. Die genauen Details sind noch nicht vollständig geklärt, aber deutlich wird: Die Förderung und die Zukunft der deutschen Minderheiten werden in der Bundesregierung ernst genommen.

Foto: AGDM
Welche Rolle spielt die AGDM bei der politischen Interessensvertretung der deutschen Minderheit, insbesondere im Kontext von Wahljahren? Wie gestaltet sich die Arbeit der AGDM auf lokaler Ebene, zum Beispiel in Polen, Rumänien und Tschechien?
Die AGDM führt selbst selten politische Aktivitäten in den Ländern durch, in denen unsere Mitgliedsorganisationen tätig sind. Unser Beitrag besteht vielmehr darin, die deutschen Minderheiten vor Ort zu unterstützen. In Rumänien beispielsweise haben wir während der Präsidentschaftswahlen gesehen, wie wichtig es war, dass euroskeptische und russophile Tendenzen keine Mehrheit gewinnen – was glücklicherweise erfolgreich war. Rumänien konnte sich auf dieser Ebene verteidigen.
In Polen hingegen ist die Lage schwieriger. Es ist noch zu früh, die konkreten Folgen für die deutsche Minderheit einzuschätzen. Eine Sorge ist der anhaltende Streit zwischen dem neu gewählten Präsidenten und der Regierung. Beide Regierungen – sowohl die polnische als auch die deutsche – haben zwar erklärt, den deutsch-polnischen Runden Tisch wieder aktivieren zu wollen, aber die steigenden anti-deutschen Tendenzen in der Politik könnten den Dialog mit der deutschen Regierung erschweren. Das würde die Umsetzung wichtiger Interessen der deutschen Minderheit behindern.
In Deutschland hingegen ist die AGDM sehr aktiv. Wir haben zahlreiche Gespräche im Bundestag geführt, arbeiten eng mit der Union der Vertriebenen (UdVA) der CDU/CSU-Fraktion sowie SPD zusammen und setzen uns für konkrete Änderungen ein.
Wie hat sich der Austausch zwischen der AGDM und dem politischen Berlin seit dem Regierungswechsel verändert?
Ich würde nicht von einer grundsätzlichen Veränderung sprechen. Auch unter der Ampelkoalition hatten wir gute Kontakte, insbesondere zu SPD-Politikern, auch wenn wir im Koalitionsvertrag nicht erwähnt waren. Mit der neuen Bundesregierung führen wir diese Linie fort. Wir stehen in regelmäßigem Austausch mit konkreten Abgeordneten, etwa Klaus-Peter Willsch, dem Vorsitzenden der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten in der CDU/CSU-Fraktion.
Außerdem pflegen wir einen direkten Draht zu Bernd Fabritius, dem Beauftragten der Bundesregierung für Nationale Minderheiten und Aussiedlerfragen, und sind eng in laufende Projekte eingebunden. Kurz gesagt: Wir halten unsere aktive Präsenz im Bundestag und in der Regierung kontinuierlich aufrecht, um die Interessen der deutschen Minderheiten wirksam zu vertreten.
„Wir vertreten Deutsche in vielen Ländern, können die deutsche Politik nicht direkt ändern, aber unsere Präsenz auf dieser Ebene ermöglicht es uns, die Interessen der deutschen Minderheiten in 25 Ländern Europas und Zentralasiens wirksam zu bewahren – gerade in einem ständig verändernden politischen Umfeld.”
Wie läuft die Arbeit der AGDM aktuell?
Gut. Wir haben konkrete Ansprechpartner, die sehr offen gegenüber uns sind. Ein Beispiel dafür: Zum ersten Mal durfte ich beim 75. Jubiläum der Charta der Vertriebenen neben dem Bundeskanzler Friedrich Merz vor Publikum sprechen. Obwohl die Veranstaltung der Charta der Vertriebenen gewidmet war, wollte man auch die Stimme der deutschen Minderheiten hören – nicht der Heimatvertriebenen, sondern der Heimatverbliebenen. Das ist ein Beleg dafür, dass die Arbeit der AGDM in den letzten Jahren erfolgreich war.
Was steht bis zum Jahresende noch an?
Vor uns stehen zwei wichtige Veranstaltungen: der Kongress der FUEN mit Neuwahlen und die Jahrestagung der AGDM, ebenfalls mit Wahlen des Sprechers. Meine dritte Amtsperiode als AGDM-Sprecher endet in diesem Jahr. Laut Satzung kann ich nicht erneut antreten.
Wie blicken Sie auf Ihre drei Amtsperioden zurück?
Neun Jahre zusammenzufassen, ist schwierig. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, kann ich sagen: Es ist mir gelungen, gemeinsam mit dem Koordinationsbüro der AGDM, die AGDM auf höchster politischer Ebene in Deutschland sichtbar zu machen. Wir werden von den wichtigen Gremien wahrgenommen und haben direkte Ansprechpartner. Wir vertreten Deutsche in vielen Ländern, können die deutsche Politik nicht direkt ändern, aber unsere Präsenz auf dieser Ebene ermöglicht es uns, die Interessen der deutschen Minderheiten in 25 Ländern Europas und Zentralasiens wirksam zu bewahren – gerade in einem ständig verändernden politischen Umfeld.