Dr. Bernd Fabritius über seine zweite Amtszeit als Minderheitenbeauftragter
Nach vier Jahren Pause ist er zurück im Amt: Dr. Bernd Fabritius wurde erneut zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten berufen. In einer politisch herausfordernden Zeit soll er erneut die Interessen der Spätaussiedler sowie der deutschen und nationalen Minderheiten vertreten – im In- und Ausland. Mit Dr. Bernd Fabritius, dem langjährigen Kenner der Minderheitenpolitik und engagierten Sprecher der Vertriebenen-Community, sprach Andrea Polański über seinen Wiedereinstieg ins Amt, die aktuellen Herausforderungen für Minderheiten in Europa – und darüber, warum gerade junge Menschen im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen.
Herr Fabritius, nach vier Jahren Pause kehren Sie in das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten zurück. Was bedeutet diese Entscheidung persönlich für Sie – und mit welchem Gefühl treten Sie das Amt erneut an?
Es ist mir eine große Ehre und Freude, das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten erneut wahrzunehmen. Ich habe die mit diesem Amt verbundenen Themen nie aus den Augen verloren, weil sie mir ein sehr wichtiges Anliegen sind. Deshalb bin ich mit vielen Inhalten bestens vertraut – und besonders wichtig: mit vielen handelnden Personen bin ich freundschaftlich und respektvoll verbunden, sodass ein reibungsloser Wiedereinstieg in die Aufgaben möglich ist.

Foto: privat/Henning Schacht
Zwischenzeitlich hatte Natalie Pawlik von der SPD das Amt inne. Wie blicken Sie auf ihre Amtszeit? Gibt es Aspekte, die Sie fortführen möchten – und wo setzen Sie andere Schwerpunkte?
Jede Amtsführung wird durch besondere Konstellationen geprägt, die bewältigt, aber nicht vollständig gelöst werden können. Ich nenne hier die Corona-Pandemie sowie den Krieg in der Ukraine.
Es kommt deshalb aus meiner festen Überzeugung vor allem darauf an, die langfristigen Linien, die allen Beauftragten der Bundesregierung wichtig waren, fortzuführen: Dazu gehört das Bekenntnis zum Kriegsfolgeschicksal auch in den Heimatgebieten sowie eine Fokussierung auf die Jugend- und Spracharbeit.
Mit Ihrem Wiedereintritt ins Amt: Haben Sie konkrete Ziele oder Meilensteine, die Sie in dieser Legislaturperiode erreichen möchten?
Es ist mein Anspruch, für die Personen, für die ich Verantwortung trage, als Ansprechpartner und Anwalt verlässlich zur Verfügung zu stehen. Ich möchte verstärkt mit den Menschen vor Ort in Kontakt kommen und ihnen das sichere Gefühl vermitteln, dass sie mit ihren Anliegen bei der Bundesregierung Gehör finden. Es geht darum zu verhindern, dass nationalistische und populistische Entwicklungen sich negativ auf die deutsche Gesellschaft, die nationalen Minderheiten und die deutschen Minderheiten auswirken.
Ein Ziel möchte ich konkret benennen: Wir wollen die gesetzlichen Grundlagen für die Spätaussiedleraufnahme auf ihre Praktikabilität und Aktualität hin überprüfen und dabei auch die Lebensrealität der Menschen in den Herkunftsgebieten berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wird derzeit geprüft, für sogenannte Spätgeborene eine Zuzugsmöglichkeit zu schaffen, die nicht an den engen Kriterien des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) scheitert.
Der Aufgabenbereich ist breit gefächert und in der heutigen Zeit besonders herausfordernd. Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen für Ihre Arbeit – sowohl im Bereich der Spätaussiedler als auch der nationalen Minderheiten?
Eine besondere Herausforderung im Bereich der deutschen Minderheiten ist die Sicherung der eigenen kulturellen Identität in Zeiten zunehmenden Assimilierungsdrucks und nationalistischer Bedrängnisse sowie der Umgang mit geopolitischen Entwicklungen.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine oder nationalistische Tendenzen in verschiedenen Ländern wirken sich direkt auf das Leben der Minderheiten aus – teils durch eingeschränkten Handlungsspielraum, teils durch wachsendes Misstrauen gegenüber westlichen Organisationen.
Darüber hinaus bestehen auch Herausforderungen innerhalb der Minderheiten: Ich möchte hier den Generationstransfer und den Übergang der Verantwortung auf die jüngere Generation nennen.
Bei den Spätaussiedlern sehe ich meine größte Herausforderung insbesondere im Bereich der Aufklärung der in Deutschland bereits lebenden Landsleute – im Sinne einer glaubwürdigen und nachhaltigen demokratischen Bildung.
Der Eindruck scheint sich zu meinem großen Bedauern zu verfestigen, dass Landsleute aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion häufiger als die Mehrheitsbevölkerung besonders populistische und in ihren Haltungen extreme Parteien wählen.
Hier ist es mein Anliegen, die Community wieder zu einen und durch eine attraktive und verlässliche Vertriebenenpolitik im Sinne der Spätaussiedler alle Landsleute wieder für das demokratische Parteienspektrum zu gewinnen.
Im Bereich der nationalen Minderheiten gilt es vor allem, minderheitenfeindlichen Tendenzen in der Gesellschaft wirksam zu begegnen. Besonders betroffen sind die Sinti und Roma, aber auch Angehörige des sorbischen Volkes erleben in ihrer Heimat in der Lausitz immer wieder Anfeindungen.
Eine besondere Aufgabe in den nächsten Jahren liegt darin, eine stabile und zukunftsgerichtete finanzielle Förderung zur Bewahrung und Pflege insbesondere der Sprach- und Jugendarbeit sicherzustellen.
Seit den letzten Bundestagswahlen hat sich die politische Landschaft verändert, eine neue Koalition ist im Amt. Welche Auswirkungen spüren die deutschen Minderheiten dadurch – etwa in Polen, Rumänien oder den Staaten der GUS?
Im Gegensatz zur sogenannten Ampelkoalition, welche die deutschen Minderheiten in ihrem Koalitionsvertrag nicht ausdrücklich erwähnte, ist für die unionsgeführte Bundesregierung unter CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz eines klar: Die deutschen Minderheiten in den Herkunftsgebieten sind und bleiben wichtig!
Nachdrücklich wird die deutsche Minderheit in der Ukraine im Koalitionsvertrag hervorgehoben. Dort heißt es: „Der Förderung der deutschen Minderheit in der Ukraine kommt wegen des russischen Angriffskrieges und des möglichen EU-Beitritts der Ukraine eine besondere Bedeutung zu.“
Darüber hinaus wird das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Spätaussiedler und nationale Minderheiten gestärkt und die Zuständigkeiten im Bundesministerium des Innern gebündelt. Davon werden am Ende alle deutschen Minderheiten profitieren, da wir Politik aus einer Hand machen können.
„Solange es autochthone deutsche Minderheiten gibt, die heute noch mittelbare Folgen des II. Weltkrieges spüren, bleibt unsere Verantwortung bestehen. Minderheitenpolitik ist im Kern auch Friedenspolitik. Seit dem Krieg in der Ukraine ist diese Botschaft aktueller denn je.“
Immer wieder wird die Frage nach der Jugend laut – sowohl im Kontext der Spätaussiedler in Deutschland als auch bei den deutschen Minderheiten im Ausland. Wie ist aus Ihrer Sicht der aktuelle Stand der Jugendarbeit in diesen Gruppen und wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Es gibt kein allgemein gültiges Patentrezept, um das grundsätzlich hohe Niveau der Jugendarbeit weiter zu verbessern.
Sowohl bei den Spätaussiedlern in Deutschland als auch bei den deutschen Minderheiten im Ausland müssen spezifische Lösungen entwickelt und an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden. Auch für die nationalen Minderheiten ist dies ein zukunftsweisendes Thema.
Als Bundesbeauftragter kann ich immer wieder den Fokus darauf richten und dieses wichtige Anliegen begleiten – auch bei der Priorisierung von Förderungen in Zeiten angespannter Haushaltslagen.
Bei meinen Gesprächen mit Verantwortlichen der deutschen Minderheiten und den Spätaussiedlern in Deutschland betone ich eine Tatsache immer wieder: Ohne gut ausgebildete junge Menschen, die über weitreichende Deutschkenntnisse verfügen, gibt es keine Zukunft!
Das Bundesministerium des Innern steuert im Rahmen seiner Zuständigkeit die Projektförderung – Förderschwerpunkt ist u.a. die verstärkte Einbeziehung der Jugend, etwa von Studierenden sowie Schülern der Oberstufe.
In Deutschland selbst ist das Thema „deutsche Minderheiten“ kaum präsent im öffentlichen Diskurs. Braucht es dieses Thema überhaupt noch im Jahr 2025 – oder ist es angesichts anderer gesellschaftlicher Herausforderungen ein Thema von gestern?
Solange es autochthone deutsche Minderheiten gibt, die heute noch mittelbare Folgen des Zweiten Weltkriegs spüren, bleibt auch unsere Verantwortung bestehen.
Die deutschen Minderheiten sind zudem bedeutsame Ansprechpartner für viele Verantwortliche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Durch ihre selbstbewusste und engagierte Interessenwahrnehmung sind sie allseits anerkannt und erleichtern sowie vertiefen vielfältige persönliche und institutionalisierte Kontakte.
Dabei rückt zunehmend ins Bewusstsein: Minderheitenpolitik ist im Kern auch Friedenspolitik. Seit dem Krieg in der Ukraine ist diese Botschaft aktueller denn je. Ihre Brückenfunktion ist unverzichtbar und wird zunehmend wichtiger.
Aus meiner Sicht sind Angehörige der deutschen Minderheiten, die die deutsche Sprache gut beherrschen und ein modernes Deutschland-Bild verinnerlicht haben, wertvolle Botschafter unserer Gesellschaft und Kultur in ihren jeweiligen Herkunftsländern.
Die Förderung der Bundesregierung trägt somit zum Abbau von Vorurteilen bei und stärkt die Brückenfunktion zur jeweiligen Mehrheitsgesellschaft sowie nach Deutschland.
Welche Rolle sehen Sie für Politik und Minderheiten selbst, um gemeinsam mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu schaffen?
Die Politik kann und muss die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass die Minderheiten sich gut entwickeln können, sichtbar sind und ihre Anliegen beachtet und berücksichtigt werden.
Dies geschieht zum einen durch die finanzielle Förderung der Selbstorganisationen der Minderheiten, die ihre Interessen vertreten. Zum anderen braucht es feste Gremienstrukturen, in denen die Minderheiten regelmäßig mit politischen Vertreterinnen und Vertretern zusammenkommen, um ihre Belange zu erörtern.
Solche Gremienstrukturen sind fest etabliert. Ich nenne hier die Beratenden Ausschüsse und den fraktionsübergreifenden Parlamentskreis Minderheiten im Deutschen Bundestag, mit dem ich einen konstruktiven Austausch pflege. Beide Seiten – Politik und Minderheiten – sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten.
Im politischen Raum werbe ich regelmäßig dafür, dass bei Auslandsbesuchen, etwa von Ministern oder Abgeordneten, auch immer Gespräche mit Vertretern deutscher Minderheiten eingeplant werden. Das ist sehr wichtig, weil die Herkunftsstaaten diese Wertschätzung sehr genau wahrnehmen.